Spiegelglas des Außenspiegels ersetzen

Bild von Bernd.H

Hallo Leute,

gestern habe ich den rechten Außenspiegel bei meinem Ro nachgerüstet.

Er ist mit Planglas bestückt und es ergab sich für mich die Frage wie ich das Glas überhaupt aus dem Spiegel heraus bekommen würde, falls ich es tauschen möchte gegen gewölbtes Glas, was mir sinnvoll erscheint.

Des weiteren die Frage welchen Durchmesser ich mir dann besorgen müsste, denn im Lager war vor kurzen auch nur Planglas vorhanden.

Ein Tausch steht mir auch auf der Fahrerseite bevor denn der Spiegel wird dort langsam blind.

Vielleicht erklärt sich nach dem Spiegelglasausbau auch die Frage wie man die "Schwergängigkeit" der Spiegelverstellung einstellen kann und ob das überhaupt geht.

 

Beste Grüße

 

Bernd

Bild von Christian von Klösterlein

 

Bernd,

hierzu stand ein ausführlicher Artikel in der ‚Trochoide’, Heft 36 vom November 1992, basierend auf meinen Erfahrungen in den davorliegenden Jahren. 

Ich habe in meinem Ro-Leben insgesamt 37 oder 38 Außenspiegel aufgearbeitet, die meisten mit gewölbtem Glas. Ich habe einen vierseitigen Bericht hierüber in meinem Archiv.

Zitate aus diesem Bericht:

 

1.Arbeitsweise

Meine Arbeitsweise, die ich inzwischen bei 30-40 Spiegeln angewandt habe, ist (Zahlen zwischen [..] beziehen sich auf die Abbildungen und die Teileliste):

  1. Glas [3] zerschlagen. Am besten Spiegel auf die Oberschenkel legen und einen Körner zentrisch ansetzen. Hierbei sieht man auch, daß bei den Spiegeln (aber nicht bei allen) hinten auf das Glas Pappe geklebt war, die natürlich Feuchtigkeit festgehalten hat.
  2. Den Glashaltering [10]  vorsichtig herausnehmen. Wenn nötig mit scharfem Messer aus dem Teller [2] herauslösen, sonst geht er zu leicht kaputt. Dieses Teil ist unersetzlich!
  3. Innenteile des Spiegelgelenks [5] bis [9] mit Rostlöser einsprühen und einen Tag liegen lassen.
  4. Mutter [9] mit 10er Steckschlüssel lösen und Teile [4] bis [8] demontieren, nötigenfalls nochmals Rostlöser anwenden und etwas hin und her bewegen. Der Sechskant von [5] sitzt oft sehr fest!
  5. Spiegelfuß [1] zur Galvanik zum Verchromen geben. Hier ist einiges zu beachten. Siehe unten unter ‚Probleme’.
  6. Teller [2] polieren. Alle anderen Einzelteile reinigen.
  7. Gewinde M6 des Befestigungsstiftes nachschneiden. Teller wieder auf den Spiegelfuß aufsetzen, Teile [4] bis [9]. Mutter [9] so anziehen, daß sich der Spiegel noch gut von Hand einstellen lässt. Teile [5] bis [9] reichlich mit Fett abdecken.
  8. Vom Glassschleifer Spiegelglas schneiden und schleifen lassen. Links Planglas oder leicht gewölbt, rechts etwas stärker gewölbt. Hier ist einiges zu beachten. Siehe unten unter ‚Probleme’.
  9. Spiegelglas im Tiefkühlfach auf rund –15 Grad C abkühlen, montierten Spiegelfuß (ohne Ring [10]) im Wärmeschrank oder Backofen auf 40-45 Grad C erwärmen - nicht mehr, sonst läuft das Konser­vierungsfett heraus und die Plastikteile verschmoren. *
  10. Ring [10] in den Spiegelteller einlegen, Spiegelglas mit Handschuhen einlegen, es muß sich gerade mit wenig Kraft in den Ring [10] legen lassen. Das tut man unbedingt mit Handschuhen, sonst dauert’s zu lange. *
  11. Wenn Spiegelglas und Teller die gleiche Temperatur angenommen haben, sollte der Spiegel fest sitzen.
  12. Regenschutzrand warm machen (38 Grad C, Warmwasser) und aufziehen.
  13. Spiegel mit neuer Fußdichtung und neuer Schraube montieren. In der Tür sollte eine Einnietmutter vorhanden sein oder ein Bügel mit Blechgewindeklemme.

           * wenn das Glas genau auf das richtige Maß geschliffen ist geht's auch ohne kühlen/erwärmen, aber da muß man oft probieren und/oder nachschleifen (lassen)

No.       Bezeichnung               Material                       Bemerkung

1          Spiegelfuß                   Spritzguß (Zamack)      wegwerfen wenn zu pickelig

2          Teller                            Edelstahl

3          Glas

4          Kalotte, außen              Plastik

5          Kalotte innen                MS                              mit Innensechskant

5a         Kalotte innen               St, gepresst               mit Innensechskant, Alternative zu 5

6a         Beilage zu 5a               Plastik                         5a und 6a immer zusammen verwenden

7          Feder                           St

8          Scheibe                       St

9          Mutter M6

10        Ring                            Plastik, transparent

11        Regenschutz                Plastik schwarz

12        Fußbeilage                   Plastik schwarz

 

Auf diesem Bild sieht man auf drei der vier Spiegelfüße auch die Muttern, die ich vor dem Ent-/Verchromen auf das Gewinde geschraubt hatte.

 

Und nun viel Spaß, und guten Erfolg.

Ich habe auch eine Liste mit Punkten was so alles schief gehen kann:

 

2. Probleme

Ich will nicht verschweigen, daß es bei einigen Arbeitsschritten Probleme gibt, und daß ich auch einiges Lehrgeld bezahlt habe.

1.   Spiegelfuß [1]

Das Aufarbeiten des Spiegelfußes umfaßt stets die Arbeitsgänge Entchromen, Verschleifen, Verchromen, Polieren. Hierbei muß man sich darüber im klaren sein, daß überall dort, wo ein 'Pickel' war, beim Entchromen ein Krater von beinahe der gleichen Größe entsteht. Diese Krater könnten nur in unbe­zahlba­rer Handarbeit mit Spezial-Lötmasse ausgefüllt werden - und darauf ist keine dauerhafte Verchromung zu erzielen. Einem Spezialisten, der stets auf der Techno Classica seine Dienste für Restaurierung von verchromten Spritzgußteilen anbietet, habe ich mal einen Spiegelfuß mitgebracht. Nach einigem Experimentieren hat er resigniert aufgegeben und gesagt, daß ihm ein so schlechter Spritzguß noch nicht untergekommen sei. Nicht mal Triumph-Teile aus Indien seien so schlecht. Er tippte auf einen italienischen Zulieferer aus den 60er Jahren.

Die Krater durch Wegschleifen unsichtbar machen ist auch problematisch, da dann der ganze Fuß zu dünn wird; außerdem werden beim Schleifen wieder neue Poren freigelegt, die das gleiche Problem ergeben. Also hilft nur behutsames, maß­volles Abschleifen, und ein bißchen Toleranz gegenüber einem Zustand, der nur 'beinahe wie neu' ist und nicht 'besser als neu’. Ich habe mich mit meinem Galvaniseur damals so geeinigt, daß er mir die Teile nach dem Entchromen zeigt und wir dann entscheiden, welche weiter­bearbeitet werden und welche wir als Ausschuss betrachten.

Nach diesen Erfahrungen habe ich Spiegelfüße, die noch einigermaßen aussahen, nicht mehr aufgearbeitet sondern nur poliert.

Noch ein Problem: Der St-Gewindestift M6 im Spiegelfuß muß vor dem Entchromen gegen Säure geschützt werden, sonst wird er so dünn daß man nur noch M3 draufschneiden kann. Als Schutz kann man eine Bleimanschette draufhämmern oder das Gewinde einfach voll M6-Muttern schrauben.

2.   Glasqualität

Bei Verwendung von Planglas sollte der Glasschleifer Roh-Spiegel in Bau-Außenqualität verwenden. Diese Spiegel, die z.B. auch bei Fassadenverkleidungen und im Ladenbau außen verwendet werden, haben eine hintere Schutzschicht aus Poly­acryl, die das Eindrin­gen von Feuchtigkeit wesentlich besser verhindert als die üblichen Lackie­rungen von Spiegeln, die für Anwendungen im Haus gedacht sind.

3.   Beschaffung von gewölbtem Spiegelglas

Man kann zur Daimler-Benz-Niederlassung, Abteilung LKW, gehen und sich dort gewölbte Ersatz-Spiegelgläser raussuchen lassen, oder zu Iveco oder Volvo. Billiger geht’s beim allgemeinen Auto­zubehörhandel. Evtl. nach Ersatzgläsern für Caravanspiegel fragen. Stets den Abbildungsmaßstab vor Ort vergleichen. Das tue ich so: Eine Ziegelwand oder ein Regal im Planspiegel und im gewölbten Spiegel betrachten und daran das Verkleinerungsverhältnis abschätzen. Diese Spiegel sind im allgemeinen so groß, daß ein Spiegel für den Ro 80 herauskommt. *

4.   Durchmesser des Spiegelglases [3]

Der Durchmesser des Spiegelglases und die rundum angeschliffene Facette müssen genau stimmen, sonst wird keine gute Klemmung erreicht. Unbedingt für jeden Spiegel das Glas individuell anpassen, die Maßab­weichungen der Edelstahlteller [2] von nur +0,4mm können entscheidend sein! Hinterher mit Siliconkitt etc. arbeiten geht vielleicht auch, ich bevorzuge das aber nicht.

5.   Spiegelfüße rechts

Nur wenige  Wagen waren ab Fabrik mit rechtem Außenspiegel ausgerüstet. Es gab diese aber serien­mäßig für Linksverkehr, also z.B. Großbritannien. Ich hatte damals die meisten rechten Spiegel aus England. Vier oder fünf schlechte rechte im Tausch gegen einen aufgearbeiteten linken, oder eins zu eins bei gleichwertigen Exemplaren.

6.   Andere Optionen

Ich habe auch gehört, daß jemand sich Spiegelgläser hat machen lassen, die genau in den Regenring [11] passen, und diese dann auf das existierende Spiegelglas geleimt hat. Der Regenring verdeckt die Bastelei beinahe vollkommen.

   * siehe hierzu auch diese Diskussion

 

Zitat Bernd.H.: 

Vielleicht erklärt sich nach dem Spiegelglasausbau auch die Frage wie man die "Schwergängigkeit" der Spiegelverstellung einstellen kann und ob das überhaupt geht.

Antwort:

Kein Problem, das erledigt sich wenn man die Teile 4 bis 9 ausgebaut und gereinigt hat!

 

 

Mein Motto: Original ist schön, man muß es aber nicht übertreiben

 

Christian von Klösterlein

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Bild von Bernd.H

Hallo Christian,

meinen aller herzlichsten Dank und meinen größten Respekt vor der Sachkunde und der Vollständigkeit deiner Antwort.

Du bist ja quasi der "Dr. Spiegel" wenn ich das so lese und hast anscheinend auch schon sehr früh dein Wissen für die Nachwelt in Schrift- und Bildform hinterlegt. Ich finde das wirklich super!!

Noch einmal vielen Dank!

 

P.S. alles Gute nachträglich, ich las gerade von deinem runden Geburtstag in Thread über ein mögliches Ro-Wiki.

 

Beste Grüße

 

Bernd

Bild von Bernd.H

vielleicht noch eine klitzekleine Nachfrage, du hast sicher die meiste Erfahrung damit.

Im Original wird der Spiegel durch eine Blechschraube in einer passenden Bohrung eines Verstärkungsbleches (so sieht es zumindest aus) in der Tür fixiert.

Eine Einnietmutter setzt ja eine metrische Befestigungsschraube voraus. Wenn ich mich nicht vertan habe dann müsste diese recht klein ausfallen wegen des kleinen "Trichters" in die die Senkschraube im Spiegelfuß passen muss und auch die original Bohrung erscheint mir für M5 zu klein geraten.

Ich habe daher eine M4 Einnietmutter verwendet, habe aber im Nachhinein doch etwas Bedenken wegen der kleinen Dimensionen denn immerhin wird der ganze Spiegel von dieser einen Schraube gehalten.

Was hast du da für Erfahrungen und welche Gewindegröße verwendest du? Hält M4 auf Dauer?

 

vielen Dank

 

Bernd

Bild von Christian von Klösterlein

Bernd.H schrieb:

...  ...  Bedenken wegen der kleinen Dimensionen denn immerhin wird der ganze Spiegel von dieser einen Schraube gehalten.

Was hast du da für Erfahrungen und welche Gewindegröße verwendest du? Hält M4 auf Dauer?

Ich habe da keine Erfahrungen, da ich bei meinem Wagen bei einer Vollrestauration das Verstärkungsblech einer Tür ersetzt habe, auf die andere Seite kam eine neue Tür.

 

Vielleicht äußert sich ja jemand, der hier Erfahrung hat.

 

Mein Motto: Original ist schön, man muß es aber nicht übertreiben

 

Christian von Klösterlein

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Bild von Andreas Bertsch

Eine M4 Schraube reicht, im Notfall kann man auch eine M5 Schraube mit kleinem Linsenkopf verwenden

 

Gruß

Andreas

Bild von Christian von Klösterlein

 

Beim Treffen in Waging habe ich mich mit Andreas Bertsch unterhalten, der Spiegel beinahe genauso restauriert wie ich vor 25 Jahren.

In einem Punkt ist er allerdings weitergekommen:

Sein Galvanikbetrieb hat eine Methode gefunden, die Krater, die beim Entchromen entstehen (mein Punkt 1 unter 2. Probleme), nach dem Neu-Verkupfern mit einem speziellen Lötzinn auszufüllen.

Und die unter 1. Arbeitsweise Punkt 9-11 beschriebenen Probleme vermeidet er durch Anwendung eines Klebers*. Auch er hat die Erfahrung gemacht daß die Maßtoleranzen der Edelstahl-Teller (2 in meiner Abbildung) enorm sind.

 

Dank an Andreas Bertsch, daß er meine Arbeit fortsetzt!

 

* Korrektur 31.05.17  11:55 nach dem Beitrag von Andreas Bertsch: kein Kleber sondern Scheibendichtmasse

 

Mein Motto: Original ist schön, man muß es aber nicht übertreiben

 

Christian von Klösterlein

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Bild von Andreas Bertsch

Hallo Herr v. Klösterlein

ich verwende zum einkleben eine dauerelastische Scheibendichtmasse, diese lässt sich hinterher auch wieder leicht entfernen wenn man das Spiegelglas einmal tauschen möchte.

 

Gruß

Andreas

Bild von ramto171

Frage, weil ich auch gerade beim re. Aussenspiegel das Glas tauschen will, das ich vom Club bekam (etwas kleiner als Serie). Klebt Ihr mit dauerelastischer Scheibendichtmasse nur das Spiegelglas innen am Metall fest oder auch den Plastikring zusätzlich noch am Gehäuse mit? Vermutlich reicht wohl Ersteres aus!

 

Gruss, Otmar